Zur psychischen Fehlverarbeitung als Folge eines D
Leitsätze
Zur psychischen Fehlverarbeitung als Folge eines Dienstunfalles
VG Hamburg Urteil vom 15.5.2008, 8 K 1268/07
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Anerkennung gesundheitlicher Beeinträchtigungen als Folgen eines Dienstunfalls sowie die Zahlung eines Dienstunfallausgleichs nach § 35 BeamtVG.
Der 1958 geborene Kläger ist Kriminalkommissar bei der Freien und Hansestadt Hamburg. Am 29.06.1999 erlitt er auf dem Weg von seiner Wohnung in Lübeck zur Arbeit in Hamburg einen Verkehrsunfall. Der Kläger hatte mit seinem Pkw BMW 318i an einer auf rot schaltenden Ampel angehalten, als das hinter ihm fahrende Fahrzeug, ein Opel Vectra, auf sein Fahrzeug auffuhr. Zum Unfallgeschehen liegt ein von der Beklagten in Auftrag gegebenes Sachverständigengutachten des Ingenieursbüros … aus Münster vom 12.09.2000 vor. Das Gutachten basiert auf den polizeilichen Ermittlungen zu dem Verkehrsunfall sowie den Schadensschätzungen, Rechnungen und Lichtbildern bezüglich des Pkw des Klägers. Das Fahrzeug des Unfallverursachers wurde zur Erstellung des Gutachtens weder in Augenschein genommen, noch lagen diesbezüglich Lichtbilder oder eine Reparaturrechnung vor. In dem Gutachten heißt es:
„Aus dem vorliegenden Material gehen die Beschädigungen an beiden Fahrzeugen hervor. Hier sind die Schäden am Heck des BMW durch eine Schadenskalkulation, eine Reparaturrechnung und Lichtbilder bekannt. Die sich aus diesen Informationen ergebenden Verformungsbilder und die geschilderte Unfallszene ermöglichen, die Position der Fahrzeuge zum Anstoßzeitpunkt zu rekonstruieren. (…).
Von den aufnehmenden Polizeibeamten wurde auf Bl. 2 der Verkehrsunfallanzeige der Frontschaden am auffahrenden Opel Vectra zu 3.000 DM und der Heckschaden am angestoßenen BMW zu 1.000 DM abgeschätzt. Lichtbilder, die den Frontschaden am auffahrenden Opel Vectra dokumentieren, konnten leider nicht zur technischen Analyse zur Verfügung gestellt werden. Aus diesem Grund muss die Bandbreite der im folgenden Kapitel zu berechnenden Relativgeschwindigkeit vergleichsweise groß ausfallen. Wären auch objektivierbare Anknüpfungstatsachen zum Schadensumfang an der Front des auffahrenden Opel Vectra Jahrsdörfer vorhanden, so wäre eine exaktere Ermittlung der Relativgeschwindigkeit und natürlich auch der daraus berechenbaren kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung möglich. (…).
Die Relativgeschwindigkeit beim Anstoß des Opel Vectra … auf das Heck des davorstehenden BMW … lag zwischen 12 und 18 km/h (gerundete Werte). Diese Relativgeschwindigkeit ist für den Fall, dass der BMW zum Anstoßzeitpunkt stand, mit der Kollisionsgeschwindigkeit bzw. Anstoßgeschwindigkeit des auffahrenden Opel Vectra identisch. (…).
Die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung des heckseitig angestoßenen BMW, in dem sich Herr … zum Anstoßzeitpunkt auf dem Fahrersitz befand, lag, abhängig von der Unfallmasse des auffahrenden Opel Vectra, zwischen 6 und 12 km/h (gerundete Werte).“
Das Gutachten kommt zu folgendem Gesamtergebnis:
„Auf der Grundlage des vorhandenen Analysematerials ließ sich die Anstoßgeschwindigkeit des Opel Vectra … zu zwischen 12 und 17 km/h berechnen. Hieraus resultiert für den heckseitig angestoßenen BMW … eine kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung zwischen 6 und 12 km/h“.
Nach der polizeilichen Unfallaufnahme fuhr der Kläger mit seinem Fahrzeug selbst nach Hause. Als sich nach kurzer Zeit Nackenschmerzen und ein Wärmegefühl einstellten, ließ er sich von dem Unfallchirurgen Dr. … in Lübeck noch am Unfalltag untersuchen. Bei der Untersuchung gab er an, dass er Nacken- und Kopfschmerzen sowie ein taubes Gefühl in der rechten Körperhälfte bis in den rechten kleinen Finger und in der rechten Gesichtshälfte verspüre. Ferner gab er an, unter Sehstörungen auf dem rechten Auge zu leiden. Der Arzt stellte eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule in allen Ebenen sowie eine sensible Wurzelreizung im Dermatom C8 rechts fest. Eine Röntgenuntersuchung ergab keinen Anhalt für eine knöcherne Verletzung. Eine Steilstellung der Halswirbelsäule wurde festgestellt. Dem Kläger wurden eine Halskrause, Schmerzmittel sowie Krankengymnastik verordnet. Die Diagnose lautete:
„HWS-Schleudertrauma mit Cervikocephalgie und sensibler Wurzelreizung C8 rechts“.
Am 21.09.1999 wurde bei dem Kläger eine Computertomographie im Hinblick auf die fortbestehenden Beschwerden durchgeführt. In dem Befund heißt es:
„Kein Hinweis auf einen Bandscheibenvorfall, insbesondere nicht in dem Segment HWK 6/7. Mäßiggradige degenerative Veränderungen im Sinne einer leichten Spondylosis deformans im mittleren HWS-Bereich.“
Im Befundbericht einer orthopädischen Untersuchung durch den Orthopäden Dr. … vom 04.11.1999 heißt es:
„Bei Untersuchung der cervikalen Segmentbeweglichkeit zeigt sich eine summarische Linksrotationseinschränkung der HWS mit deutlicher Schmerzhaftigkeit. Die Segmentprüfung ergibt eine Prominenz des Atlasquerfortsatzes rechts mit Druckschmerz links sowie eine Linksrotationsstellung des Atlas und eine Bewegungseinschränkung in den Etagen C0/1 beidseits C1/2 links sowie eine Rechtsrotationseinschränkung im cerv./thor. Übergang in Höhe Th1/2.“
Die Diagnose lautete:
„Traumatische Blockierung C0/1 beidseits, C1/2 links, Th1/2 mit erster Rippe links“.
Der Kläger wurde daraufhin vom Personalärztlichen Dienst am 19.01.2000 und am 21.03.2000 untersucht. In einem Untersuchungsbericht des Personalärztlichen Dienstes vom 22.03.2000 heißt es:
„Als Folge des Auffahrunfalls vom 29.06.1999 werden anhaltende dienstfähigkeitsrelevante Nackenkopfschmerzen geltend gemacht. Nach dem bisherigen Verlauf ist es nicht wahrscheinlich, dass ausgehend von der Schmerzklage der Dienst in absehbarer Zeit wiederaufgenommen wird. Objektiv liegen bisher zwar keinerlei Befunde vor, die die Dauer der geltend gemachten Beschwerden erklären, jedoch stehen maßgebliche Untersuchungen zur Plausibilität dieser Beschwerden noch aus, so dass derzeit nicht empfohlen werden kann, den Beamten zur Dienstaufnahme aufzufordern.“
Am 31.03.2000 wurde auf Veranlassung des Personalärztlichen Dienstes eine Kernspintomographie der Halswirbelsäule durchgeführt. In der Beurteilung vom 03.04.2000 heißt es:
„Bandscheibenprotrusionen C3/4 und C4/5 ohne erkennbar wesentlich raumfordernden Effekt auf das Myelon. Beginnende degenerative Veränderungen auf Niveau der kleinen Gelenke ohne daraus resultierende höhergradige Neuroforamenstenose“.
In dem abschließend erstellten Gutachten des Personalärztlichen Dienstes vom 18.09.2000 heißt es:
„Bei dem von Herrn … geltend gemachten Auffahrunfall ist es bei der geringen kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung von zwischen 6 und 12 km/h nach der zitierten Studie von vornherein unwahrscheinlich, dass dabei ein unfallbedingter Körperschaden gesetzt worden ist. Daneben liegt auch kein sicher objektiver Befund vor, der für eine Verletzung der Halswirbelsäule spricht. Die auf den vorgelegten Röntgenaufnahmen der Halswirbelsäule von 10/1999 besehene Steilstellung ist ebenso unspezifisch wie die geringen harmonischen Wirbelverschiebungen bei den personalärztlicherseits veranlassten Funktionsaufnahmen der Halswirbelsäule. Die weiterführende bildgebende Diagnostik der Halswirbelsäule mit Computertomographie und Kernspintomographie zeigte lediglich geringe degenerative Veränderungen. Dazu gehören auch die kernspintomographisch beschriebenen Protrusionen (Vorwölbungen), die auch bei völlig „Wirbelsäulengesunden“ gesehen werden. Herr Dr. …, der Herr … kurz nach dem Unfall gesehen hat, gibt als pathologischen Befund an: „Schmerzhafte Bewegungseinschränkung der HWS in allen Ebenen“, während er „periphere oder neurologische Störungen“ verneint. Dabei enthält der Begriff schmerzhafte Bewegungseinschränkung bereits eine rein subjektive Aussage, die sich ausschließlich auf die Angabe des Untersuchten stützt. (…)
Der übliche Verlauf bei sog. Schleuderverletzungen der Halswirbelsäule, selbst wenn ihnen erhebliche ausgeprägte Unfallmechanismen zugrunde gelegen haben, ist der, dass eventuell nach einem kurzen schmerzfreien Intervall das qualitative und quantitative Maximum der Beschwerden auftritt, um dann in der Folgezeit kontinuierlich bis zum Verschwinden abzunehmen. Ein derartig regelhafter Verlauf ist bei Herrn … nicht zu erkennen.
Zusammenfassend ist für mich nicht ausreichend sicher, dass Herr … am 29.06.1999 einen unfallbedingten Körperschaden erlitten hat, und die Anerkennung als Dienstunfall kann ich nicht vorschlagen.“
In einem Befundbericht des den Kläger behandelnden Arztes Dr. … vom 10.01.2001 heißt es:
„Herr … wurde nach eigenen Angaben am 29.06.1999 in einen Verkehrsunfall verwickelt. Bei dieser Gelegenheit erlitt er ein Distorsionstrauma der HWS. Diagnostisch handelte es sich um eine traumatische Blockierung in den Etagen C0/C1 beiderseits sowie C1/2 links und Th1/2 mit Costotransversalgelenk 1 links, verbunden mit myotendinotischen Ausstrahlungen. Die anhaltend geklagten Beschwerden bei dem Patienten sind auf eine zusätzlich bestehende Protrusion in den Etagen C3/4 und C4/5 zu beziehen, die jedoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht unfallbedingt ist, sondern auf dem Boden einer degenerativen Veränderung der HWS entstanden ist. Die Rotationsbeweglichkeit der Halswirbelsäule beträgt rechts 90 Grad, links 75 Grad. Nach allgemeinen traumatologisch-orthopädischen Erfahrungen ist mit einem Dauerschaden als ursächliche Unfallfolge nicht zu rechnen. Der Unfall ist bei den bestehenden cervikalen Protrusionen in den Etagen C3/4 und C4/5 im Sinne der richtungsgebenden Verschlimmerung anzusehen. Die direkten Unfallfolgen nach dem verkehrsunfallbedingten
Distorsionstrauma der HWS sind nach allgemeinen traumatologischen Erfahrungen spätestens 3-4 Monate nach dem Unfallereignis abgeklungen.“
Am 05.03.2001 fand eine weitere Untersuchung durch den Personalärztlichen Dienst statt. Eine Anerkennung als Dienstunfall wurde weiterhin nicht empfohlen.
Mit Bescheid vom 21.11.2001 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Anerkennung seiner Beschwerden als Folgen des Dienstunfalls vom 29.06.1999 ab. Nach den Gutachten des Personalärztlichen Dienstes sei es nicht ausreichend sicher, dass durch den Unfall ein Körperschaden entstanden sei. Dies erscheine aufgrund der geringen Auffahrgeschwindigkeit abwegig.
Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 07.12.2001 hat der Kläger Widerspruch erhoben. Das Widerspruchsverfahren wurde im Hinblick auf einen Zivilprozess gegen die Versicherung des Unfallgegners vor dem Amtsgericht Lübeck zunächst ausgesetzt.
In diesem Verfahren holte das Amtsgericht Lübeck ein gerichtliches Sachverständigengutachten des Universitätsklinikums Lübeck ein. Die Gutachter stützten sich unter anderem auf die vorhandenen Röntgen- und MRT-Aufnahmen sowie auf eine eigene klinisch-radiologische Untersuchung. Dabei gingen die Gutachter davon aus, dass bei dem Auffahrunfall eine kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung des Pkw des Klägers von 7 bis 9 km/h berechnet worden sei (S. 12 des Gutachtens). Zugrunde gelegt wurde ferner, dass der Kläger im Aufprallzeitpunkt nach links geschaut und die Halsmuskulatur nicht vorgespannt gewesen sei (S. 13 des Gutachtens). Die Diagnose auf orthopädischem Fachgebiet lautet: Zustand nach Halswirbelsäulendistorsion und degenerative Veränderungen der HWS. In der abschließenden Beurteilung des Gutachtens vom 26.06.2002 heißt es:
„Unter Berücksichtigung des Unfallmechanismus und insbesondere der biomechanischen Gelegenheiten hat sich der zu Begutachtende bei dem Unfallereignis eine leichte bis mittelgradige Halswirbelsäulendistorsion zugezogen. Eine Arbeitsunfähigkeit besteht auch zum jetzigen Zeitpunkt noch. Nach allgemeinen Erfahrungswerten ist von einer Arbeitsunfähigkeit bei leicht- bis mittelgradigen Halswirbelsäulendistorsionen von sechs Wochen bis zu vier Monaten auszugehen (Rompe 1998).
Mit einer deutlichen Einschränkung ist nach allgemeiner ärztlicher Erfahrung für weitere drei Monate zu rechnen, ein schrittweiser Rückgang der Beschwerden kann in einzelnen Fällen bis zu drei Jahre nach dem Unfall anhalten. Darüber hinaus ist von unfallbedingten Beschwerden nicht mehr auszugehen (Rompe 1998). Hierfür sind degenerative oder funktionelle Ursachen verantwortlich zu machen, die bei dem zu Begutachtenden in der bildgebenden Diagnostik in mäßiger Ausprägung gezeigt wurden.
Zusammengefasst erfolgt die medizinische gutachterliche Beurteilung des zu Begutachtenden wie folgt:
Als Folge des beschuldigten Unfallereignisses besteht:
HWS-Distorsion leicht bis maximal mittelgradig mit Schulter-Nacken-Beschwerden und Missempfindungen des Kleinfingers, so dass eine Arbeitsunfähigkeit für ca. drei Monate durch den Unfall gerechtfertigt ist.
Unfallunabhängig besteht ein beginnender verformender Verschleiß der Halswirbelsäule.
Die geschilderten Beschwerden zum Zeitpunkt der Begutachtung sind nicht mehr als Unfallfolge anzusehen.“
Mit Bescheid vom 12.07.2002 wurde bei dem Kläger durch das Landesamt für soziale Dienste Schleswig-Holstein ein Grad der Behinderung nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) von 30 seit Juni 1999 festgestellt. Dieser Feststellung lag ein ärztliches Gutachten vom 14.05.2002 zugrunde. Darin heißt es, dass der Kläger an einem Wirbelsäulensyndrom sowie an Kopf- und Armbeschwerden leide.
Mit Schreiben vom 03.12.2004 nahm der Personalärztliche Dienst gegenüber der Beklagten zu dem Gutachten des Universitätsklinikums Lübeck Stellung. Nach wie vor seien die angeblichen Körperschäden bei genauerer Betrachtung nichts anderes als umformulierte Beschwerdeangaben. Derartige Beschwerden seien in einem Verfahren, bei dem es um soziale Vorteile gehe, zurückhaltend zu bewerten. Bei dem vorliegenden Unfallgeschehen, insbesondere bei der geringen kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung des klägerischen Pkw, sei es bestenfalls eine Möglichkeit, aber keine Wahrscheinlichkeit, dass die Halswirbelsäule des Klägers geschädigt worden sei. Wissenschaftliche Studien zeigten, dass vergleichbare kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderungen in anderen Fällen von den Betroffenen gut vertragen würden. Wenn überhaupt komme vor diesem Hintergrund bestenfalls eine leichte HWS-Distorsion in Betracht, die nach wenigen Tagen bis Wochen völlig abgeklungen sei. Die bei dem Kläger ausweislich des Gutachtens des Universitätsklinikums Lübeck vorgefundenen degenerativen Veränderungen seien nicht krankheitswertig.
Mit Bescheid vom 30.05.2005 half die Beklagte dem Widerspruch des Klägers teilweise ab und erkannte eine leichte HWS-Distorsion als Folge des Dienstunfalls an. Gleichzeitig wies sie darauf hin, dass nach Ablauf eines Monats nach dem Unfall dienstunfallabhängige Folgen nicht zu erwarten seien.
Mit Schreiben vom 22.06.2005 legte der Kläger erneut Widerspruch ein. Entgegen dem Inhalt des Bescheides liege nicht lediglich eine leichte HWS-Distorsion, sondern mindestens eine mittelschwere HWS-Distorsion vor. Das Gutachten des Universitätsklinikums Lübeck habe als Unfallfolge eine leichte bis maximal mittelgradige HWS-Distorsion festgestellt. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Gutachter irrtümlich von einer kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung von lediglich 7 bis 9 km/h ausgegangen sei. Dies sei fehlerhaft, da der Gutachter offenbar die persönliche Einschätzung eines Sachbearbeiters der gegnerischen Versicherung als richtig unterstellt habe. Aus dem für die Beklagte erstellten Gutachten vom 12.09.2000 ergebe sich vielmehr, dass eine kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung von bis zu 12 km/h zugrunde gelegt werden müsse. Tatsächlich sei die Geschwindigkeitsänderung sogar noch größer. Das Gutachten vom 12.09.2000 beruhe im Hinblick auf das gegnerische Unfallfahrzeug lediglich auf eine Beschreibung der Schäden durch den aufnehmenden Polizeibeamten. Lichtbilder des Fahrzeuges oder das Fahrzeug selbst hätten zur Begutachtung nicht zur Verfügung gestanden. Die Polizeibeamten hätten den Schaden indes falsch eingeschätzt. Den Reparaturaufwand für das Fahrzeug des Klägers habe die Polizei auf ca. 1.000 DM geschätzt. Tatsächlich hätten die Reparaturkosten jedoch 3.460 DM betragen. Entsprechendes müsse für die Reparaturkosten am gegnerischen Unfallfahrzeug gelten. Hier müsse man von einer Schadenssumme von etwa 10.400 DM anstatt von zugrunde gelegten 3.000 DM ausgehen. Daraus dürfte sich eine kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung ergeben, die in einem Bereich über 12 km/h liege.
Im Übrigen sei das Gutachten des Universitätsklinikums Lübeck auch deshalb fehlerhaft, weil der Gutachter einen beginnenden verformenden Verschleiß der Halswirbelsäule als Ursache für die Beschwerden des Klägers angesehen habe. Insofern habe der Personalärztliche Dienst zu Recht festgestellt, dass die degenerativen Veränderungen bei dem Kläger nicht krankheitswertig seien. Sie könnten deshalb nicht für die Beschwerden verantwortlich gemacht werden. Soweit der Personalärztliche Dienst sich auf wissenschaftliche Studien zur Wahrscheinlichkeit von Halswirbelsäulenverletzungen bei geringen Geschwindigkeiten berufe, entsprächen diese Untersuchungen nicht mehr dem aktuellen Stand der Wissenschaft.
Die Unfallfolgen seien bis heute abgeklungen, sondern es habe sich im Laufe der Zeit bei dem Kläger ein unfallbedingtes chronisches Schmerzsyndrom aufgrund einer psychischen Fehlverarbeitung entwickelt. Dieses sei für seine häufigen Beschwerden verantwortlich und ebenfalls als Unfallfolge anzuerkennen. Ergänzend legt der Kläger eine Bescheinigung seines behandelnden Psychologen und Psychologischen Psychotherapeuten Dr. … vom 16.11.2004 vor. Dieser bescheinigt darin, dass sich der Kläger bei ihm in einer psychotherapeutischen Behandlung befinde. Weiter heißt es, dass bei dem Kläger offenbar eine Neigung zur Retention affektiver Erlebnisinhalte bestehe. Dies habe zu einer psychischen Fehlverarbeitung des Verkehrsunfalls mit persistierenden chronischen Schmerzen beigetragen.
Im folgenden Widerspruchsverfahren nahm der Personalärztliche Dienst mit Schreiben vom 07.11.2006 erneut Stellung. Die Anerkennung einer mittelgradigen HWS-Distorsion könne nach wie vor nicht vorgeschlagen werden. Nach der dem Gutachten des Universitätsklinikums Lübeck zugrunde liegenden Klassifizierung von ROMPE sei eine mittelgradige HWS-Distorsion durch Weichgewebestrukturzerreißungen, akute Heilungsinsuffizienz, reflektorischer Steife, Zwangshaltung, Schluckbeschwerden und in der Regel eine stationäre Behandlung gekennzeichnet. Die Folge sei eine Arbeitsunfähigkeit von drei bis vier Monaten. Dies alles könne bei dem Kläger nicht festgestellt werden. Ein chronisches Schmerzsyndrom sei bei dem Kläger nicht belegt. In einem nervenärztlichen Gutachten des Personalärztlichen Dienstes vom 31.10.2005, das zur Überprüfung der Dienstfähigkeit des Klägers erstellt worden sei, habe dieser angegeben, bei Schmerzen bei Bedarf Paracetamol einzunehmen, allerdings eher selten. Ebenfalls relativ selten nehme der Kläger ASS ein. Diese spärliche Schmerzmedikation passe nicht zu einem angeblich chronischen Schmerz. Die Beschwerden des Klägers könnten auf soziale Faktoren zurückzuführen sein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.02.2007 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zweifelhaft sei bereits, ob das Unfallereignis am 29.06.1999 überhaupt geeignet gewesen sei, eine mittelschwere HWS-Distorsion hervorzurufen. Nach dem verkehrstechnischen Gutachten vom 12.09.2000 seien schwerwiegendere als die bisher anerkannten Dienstunfallfolgen nicht zu erwarten. Dem Vorbringen des Klägers, dass die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung höher als in dem Gutachten angegeben angesetzt werden müsse, könne nicht gefolgt werden. Da Lichtbilder über den Frontschaden des auffahrenden Autos nicht vorgelegen hätten, sei lediglich die Bandbreite der ermittelten Relativgeschwindigkeit relativ groß ausgefallen. Der Gutachter habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine exaktere Ermittlung der Relativgeschwindigkeit und der daraus berechneten kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung möglich gewesen wäre, wenn objektivierbare Anknüpfungstatsachen zum Schadensumfang an der Front des auffahrenden Fahrzeugs vorhanden gewesen wären. Der Gutachter habe die bestehenden Unsicherheiten also in sein Gutachten einfließen lassen.
Die von dem Kläger behaupteten Körperschäden ließen sich nicht feststellen. Es liege kein objektiver Befund dafür vor, dass eine Verletzung der Halswirbelsäule erfolgt sei. Weder die Computertomographie der Halswirbelsäule vom 21.09.1999 noch das Ergebnis der Kernspintomographie vom 03.04.2000 hätten diesbezüglich etwas ergeben. Dem Einwand des Klägers, die Computer- bzw. Kernspintomographiebefunde könnten nicht herangezogen werden, da diese erst einige Zeit nach dem Verkehrsunfall gefertigt worden seien, könne nicht gefolgt werden. Die Computertomographie sei bereits drei Monate nach dem Unfall erstellt worden. Außerdem mache der Kläger Unfallfolgen geltend, die nach mehr als sieben Jahren noch andauerten. Bei Zugrundelegung der Klassifikation von ROMPE komme die Anerkennung einer mittelschweren HWS-Distorsion nicht in Betracht. Diese setze in der Regel eine stationäre Behandlung voraus, was im Fall des Klägers nicht erfolgt sei. Auch seien die danach erforderlichen Köperschäden bei dem Kläger nicht nachzuweisen. Die Frage, worauf die dauerhaften Beschwerden des Klägers zurückzuführen seien, bedürfe unter diesen Umständen keiner Entscheidung. Offen bleiben könne insbesondere, ob die Beschwerden auf degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule zurückzuführen seien. Jedenfalls fehle es an objektiven Befunden für eine unfallbedingte Verursachung.
Die Anerkennung eines chronischen Schmerzsyndroms bzw. einer psychischen Fehlverarbeitung des Verkehrsunfalls komme nicht in Betracht. Gegen das Bestehen eines chronischen Schmerzsyndroms spreche bereits das nervenärztliche Gutachten des Personalärztlichen Dienstes vom 31.10.2005, das Zweifel am Bestehen eines Schmerzsyndroms geäußert habe. Auch eine psychische Fehlverarbeitung sei nicht belegt. Eine solche Fehlverarbeitung könne allenfalls in Ausnahmefällen als Dienstunfallfolge anerkannt werden. Dies sei dann der Fall, wenn durch die Schwere der körperlichen oder seelischen Einwirkungen des Unfalls durch den hierbei ausgestandenen Schreck oder durch die anschließende ärztliche Behandlung eine neurotische Fehlentwicklung ausreichend zu rechtfertigen sei. Davon gingen auch die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht aus. Eine psychische Fehlverarbeitung könne nur dann anerkennt werden, wenn ein besonders schwer belastendes Ereignis wie z.B. eine Geiselnahme, eine Folterung oder eine Vergewaltigung vorgelegen hätte.
Der Kläger hat am 04.04.2007 Klage erhoben. Zur Begründung bezieht er sich auf das Gutachten des Universitätsklinikums Lübeck. Darin sei schon auf der Grundlage einer zu niedrig bemessenen Aufprallgeschwindigkeit festgestellt worden, dass eine leichte bis maximal mittelgradige HWS-Distorsion als Folge des Unfalles vorliege. Nicht zutreffend sei die Einschätzung des Personalärztlichen Dienstes, dass objektive Befunde im Hinblick auf die Beschwerden des Klägers nicht vorlägen. Mehrere Ärzte hätten bei dem Kläger festgestellt, dass die Nackenmuskulatur verhärtet gewesen sei. Allein die festgestellten Arbeitsunfähigkeitszeiten lägen bereits über den Zeiten, die nach ROMPE maßgeblich sind. Ferner seien traumatische Blockaden festgestellt worden. Die Linksrotation des Kopfes sei eingeschränkt gewesen. Eine derartige Einschränkung der Rotation sei von mehreren Ärzten festgestellt worden. Es bestünden Bedenken gegen die Unabhängigkeit und Neutralität des Gutachters des Personalärztlichen Dienstes. Diese folgten auch daraus, dass dieser über soziale Ursachen für die Beschwerden spekuliere.
Tatsächlich liege bei dem Kläger eine psychische Fehlverarbeitung des Verkehrsunfalls vor, die nunmehr zu einem persistierenden Schmerzsyndrom geführt habe. Dies erkläre die jetzigen Beschwerden des Klägers, da die bildgebenden Verfahren keine degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule aufgezeigt hätten, die für die heutigen Beschwerden des Klägers verantwortlich sein könnten. Vor dem Verkehrsunfall habe der Kläger keinerlei Beschwerden gehabt. Es sei anerkannt, dass die mittelgradige HWS-Distorsion geeignet sei, eine psychische Fehlverarbeitung hervorzurufen. Der Kläger verweist insofern auf Urteile des Bundesgerichtshofs und des Oberlandesgerichts Hamm in zivilrechtlichen Schadensersatzverfahren.
Am 20.09.2007 hat der Kläger die Klage insofern erweitert, dass er nunmehr auch die Gewährung eines Dienstunfallausgleichs gemäß § 35 Abs. 1 BeamtVG begehrt. Zuvor hatte die Beklagte einen entsprechenden Antrag des Klägers mit Bescheid vom 08.06.2007 und Widerspruchsbescheid vom 03.09.2007 – mit einer der obigen entsprechenden Begründung – abgelehnt.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30.05.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.02.2007 zu verpflichten, folgende gesundheitliche Beeinträchtigungen des Klägers als Folgen des Dienstunfalls vom 29.06.1999 anzuerkennen:
- mittelgradige HWS-Distorsion,- psychische Fehlverarbeitung des Verkehrsunfalls,- chronisches Schmerzsyndrom,
2. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.06.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.09.2007 zu verpflichten, dem Kläger einen Unfallausgleich in Höhe von 30% gemäß § 35 Abs. 1 BeamtVG aufgrund des Dienstunfalls vom 29.06.1999 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt die Beklagte ergänzend aus, dass die Einstufung der HWS-Distorsion als leicht oder mittelschwer nicht von der Dauer der Arbeitsunfähigkeit abhängig gemacht werden könne. Um eine HWS-Distorsion als mittelgradig einstufen zu können, müssten objektivierbare und eindeutig dem Unfallereignis zuzuordnende Befunde nachgewiesen sein. Dies seien etwa Weichgewebestrukturzerreißungen und in der Regel eine stationäre Behandlung. Dies habe bei dem Kläger nicht vorgelegen. Auf die Dauer der Arbeitsunfähigkeit könne sich der Kläger schon deshalb nicht beziehen, weil das Gutachten des Universitätsklinikums Lübeck zu dem Ergebnis komme, dass unfallbedingt lediglich eine Arbeitsunfähigkeit für ca. drei Monate gerechtfertigt gewesen sei. Der Unfall habe damit keine Arbeitsunfähigkeit ausgelöst, die eine Einstufung der HWS-Distorsion als mittelgradig rechtfertigen könne.
Die vom Kläger zur Anerkennung einer psychischen Fehlverarbeitung als Unfallfolge angeführten Entscheidungen der Zivilgerichte seien irrelevant. Das Dienstunfallrecht folge anderen Regeln. Der Dienstherr, der den Unfall nicht verschuldet habe, solle nicht verpflichtet sein, für mitgebrachte persönliche Eigenschaften des Beamten durch die Gewährung von Dienstunfallfürsorge einzutreten. Der Beamte solle nur insoweit Dienstunfallansprüche erwerben, als er sich durch den Unfall nicht nur seinem persönlichen Schicksal gegenübergestellt gesehen habe, sondern gezwungen gewesen sei, sich einem von den allgemeinen Gegebenheiten des täglichen Lebens deutlich unterscheidbaren dienstlichen Unfallrisiko auszusetzen und er dadurch einen Schaden erlitten habe. Das sei bei dem Kläger nicht der Fall. Schon deshalb könne auch das geklagte Schmerzsyndrom nicht als Dienstunfallfolge anerkannt werden, weil dieses nach dem Vortrag des Klägers eine Folge der psychischen Fehlverarbeitung sei. Im Übrigen habe ein derartiges Schmerzsyndrom bei der neurologischen Untersuchung durch den Personalärztlichen Dienst nicht festgestellt werden können. Die Angaben des Klägers zur Schmerzmedikation ließen sich nicht mit einem chronischen Schmerzsyndrom vereinbaren.
Die Sachakten der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf die Anerkennung weiterer Dienstunfallfolgen (dazu unter I.) noch auf die Zahlung eines Dienstunfallausgleichs (dazu unter II.).
I. Gemäß § 31 Abs. 1 BeamtVG können Körperschäden nur dann als Folgen eines Dienstunfalls anerkannt werden, wenn sie durch den Dienstunfall verursacht worden sind. Der Geschädigte trägt die materielle Beweislast dafür, dass diese anspruchsbegründenden Voraussetzungen vorliegen. Das gilt sowohl für das Vorliegen des behaupteten Körperschadens als auch für den Kausalzusammenhang mit dem Dienstunfallgeschehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.10.1981 – 2 C 17/81, juris; Beschl. v. 07.02.1989 – 2 B 179/88, juris; BayVGH, Beschl. v. 07.06.2000 – 3 B 96.1396, juris). Gemessen daran können über die von der Beklagten mit Bescheid vom 30.05.2005 anerkannte leichte HWS-Distorsion hinaus keine weiteren Körperschäden als Folgen des Dienstunfalls vom 29.06.1999 festgestellt werden.
1. Soweit der Kläger die Anerkennung einer mittelgradigen HWS-Distorsion als Folge des Dienstunfalls begehrt, fehlt es an dem Nachweis, dass eine solche HWS-Distorsion bei dem Kläger vorgelegen hat. Der Begriff der mittelgradigen HWS-Distorsion ist in der medizinischen Wissenschaft von ROMPE geprägt worden (vgl. Rompe, Whiplash injury to the cervical spine – Expert opinion on trauma sequels from the orthopedic point of view, Orthopäde 27 <1998>, 854 ff.). Eine HWS-Distorsion bezeichnet dabei eine durch Hals- oder Kopfbewegungen verursachte Verletzung der Halswirbelsäule bzw. des Halses. Nach ROMPE kann die HWS-Distorsion in drei Schweregrade eingeteilt werden. Der leichten HWS-Distorsion, die von der Beklagten als Folge des Dienstunfalls anerkannt worden ist, liegt eine nicht strukturelle (funktionelle) Schädigung zugrunde. Im Laufe von Stunden kommt es zu (reflektorischer) Verspannung und Beschwerden (gelegentlich auch vegetativen Irritationen und mehr oder minder diffusen und unterschiedlich schweren Hinterkopfschmerzen). Die mittelgradige HWS-Distorsion zeichnet sich im Gegensatz dazu durch eine strukturelle Schädigung aus. Ihr liegen Weichgewebestrukturzerreißungen (Band- und/oder Bandscheibenzerreißungen) zugrunde, die zu akuter Haltungsinsuffizienz, reflektorischer Steife, Zwangshaltung, Schluckbeschwerden und in der Regel zu einer stationären Behandlung führen. Der Kammer liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger eine derartige strukturelle Schädigung erlitten hat.
Anzeichen für eine strukturelle Schädigung der Bänder bzw. der Bandscheiben können mittels einer Kernspintomographie und eingeschränkt auch mittels einer Computertomographie sichtbar gemacht werden. Derartige Untersuchungen sind ohne einen derartigen Befund am 21.09.1999 (Computertomographie) und am 31.03.2000 (Kernspintomographie) vorgenommen worden. Vielmehr haben beide Untersuchungen gezeigt, dass eine Verletzung weder im Bereich der Knochen noch im Bereich der Bänder vorhanden war. Dabei mag zwar die Kernspintomographie am 31.03.2000 – wie sich aus dem Gutachten des Universitätsklinikums Lübeck vom 26.6.2002, S. 15, ergibt – nach Ablauf von neun Monaten seit dem Unfall nicht mehr in der Lage gewesen sein, alle Verletzungen im Bereich der Bänder sichtbar zu machen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass jeglicher Beleg für eine strukturelle Schädigung, die die mittelgradige HWS-Distorsion ausmacht, fehlt.
Auch die Symptome, die der Kläger bei den wiederholten ärztlichen Untersuchungen gezeigt hat, liefern keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine mittelgradige HWS-Distorsion. Zwar wurde bei Untersuchungen mehrfach eine eingeschränkte Beweglichkeit des Halses festgestellt, was als Zeichen einer reflektorischen Steife gewertet werden könnte. Reflektorische Verspannungen liegen indes auch der leichten HWS-Distorsion zugrunde. Die übrigen, weit schwerer wiegenden Anzeichen für eine strukturelle Schädigung des Bänderapparats konnten bei dem Kläger nicht festgestellt werden. Im Gegenteil weist der fehlende Krankenhausaufenthalt, der von den behandelnden Ärzten offenbar niemals erwogen worden ist, mit großer Deutlichkeit darauf hin, dass die Verletzungen des Klägers den behaupteten Schweregrad nicht erreicht haben.
Einen hinreichenden Anhaltspunkt für eine mittelgradige HWS-Distorsion liefert nicht das Gutachten des Universitätsklinikums Lübeck vom 26.06.2002. Der Gutachter kommt zu dem Ergebnis, das bei dem Kläger eine leichte bis maximal mittelgradige HWS-Distorsion als Folge des Unfalls festgestellt werden könne. Damit bleibt die hier entscheidende Frage, ob tatsächlich eine mittelgradige HWS-Distorsion vorgelegen hat, offen. Hinreichende Anzeichen dafür, dass dies der Fall gewesen sein könnte, benennt das Gutachten nicht. Insbesondere werden keine zusätzlichen Unfallverletzungen aufgezeigt. Der Gutachter schließt vielmehr von den Umständen des Unfalls auf die dadurch möglicherweise hervorgerufenen Verletzungen. Eine derartige Beweisführung genügt den Anforderungen des Dienstunfallrechts nicht. Die Fragestellung ist nicht, welche Verletzungen durch den Unfall verursacht worden sein können, sondern welche tatsächlich verursacht worden sind.
Unter diesen Umständen kommt die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens im Rahmen der Amtsermittlungspflicht gemäß § 86 VwGO nicht in Betracht. Für ein solches Gutachten müssten hinreichende Anknüpfungstatsachen vorliegen. Daran fehlt es nach den obigen Ausführungen. Angesichts des Zeitablaufs besteht auch keine Aussicht, dass eine erneute Begutachtung strukturelle Schädigungen erstmals belegen könnte.
2. Die Anerkennung einer psychischen Fehlverarbeitung und eines daraus resultierenden chronischen Schmerzsyndroms als Folgen des Dienstunfalls kommt gleichfalls nicht in Betracht. Dabei lässt die Kammer offen, ob bei dem Kläger trotz der vom Personalärztlichen Dienst geäußerten Zweifel eine solche psychische Fehlverarbeitung mit der Folge eines chronischen Schmerzsyndroms tatsächlich vorliegt. Jedenfalls fehlt es an dem erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Dienstunfall und den psychisch vermittelten Folgewirkungen. Ein solcher Ursachenzusammenhang im rechtlichen Sinne besteht dann nicht, wenn ein anlagebedingtes Leiden durch den Dienstunfall nur zufällig ausgelöst worden ist und der Dienstunfall mithin nur als Gelegenheitsursache anzusehen ist. Das Leiden ist in derartigen Fällen rechtlich nicht auf den Dienstunfall, sondern auf die Veranlagung des Beamten zurückzuführen (vgl. Wilhelm, in: GKÖD, Bd. I, Stand der Bearbeitung: 6/99, § 31, Rn. 20). Denn der Dienstherr soll nur die spezifischen Gefahren der Beamtentätigkeit tragen und mit den auf sie zurückzuführenden Unfallursachen belastet werden. Dem Beamten sollen dagegen diejenigen Risiken verbleiben, die sich aus anderen als dienstlichen Gründen, insbesondere aus persönlichen Anlagen, Gesundheitsschäden und Abnutzungserscheinungen ergeben (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.03.2004 – 2 B 54/03, juris). Diese Risikoverteilung folgt daraus, dass der Dienstherr für den Dienstunfall selbst keinerlei Verantwortung trägt. Anders als der Schädiger nach den zivilrechtlichen Schadensersatzvorschriften (vgl. BGH, Urt. v. 30.04.1996 – VI ZR 55/95, BGHZ 132, 341 ff., stRspr.) muss er deshalb nicht für alle Folgen einstehen, die der Dienstunfall im weitesten Sinne ausgelöst hat. Eine besondere Schadensanfälligkeit des Verletzten ist dem Dienstherrn beamtenrechtlich nicht zuzurechnen.
Davon ausgehend ist ein Unfall nur dann eine rechtlich relevante wesentlich mitwirkende Ursache einer psychischen Fehlverarbeitung, wenn diese durch die Schwere der körperlichen oder seelischen Einwirkungen des Unfalls, durch den hierbei ausgestandenen Schreck oder durch die anschließende ärztliche Behandlung ausreichend zu rechtfertigen ist. Daher kommen in Anlehnung an die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (Gutachtliche Beurteilung psychischer Folgen von Traumen, Nummern 70 und 71) grundsätzlich nur besonders schwer belastende Ereignisse (z.B. Geiselnahme, Folterung, Vergewaltigung) als rechtlich relevante Ursachen lang andauernder psychischer Belastungen in Betracht (vgl. OVG Münster, Urt. v. 24.01.1997 – 12 A 5532/94, juris). Hingegen kann von einer Ursächlichkeit im Rechtssinne nicht ausgegangen werden, wenn ein alltägliches Ereignis wie ein Auffahrunfall mit niedriger Geschwindigkeit im Stadtverkehr zu derart weitreichenden Folgen führt, wie sie von dem Kläger geltend gemacht werden. Hier ist von einem anlagebedingten Leiden auszugehen. Dem entspricht es, dass der behandelnde Psychologe in seiner Bescheinigung vom 16.11.2004 eine Neigung des Klägers zur Retention affektiver Erlebnisinhalte festgestellt hat. Derartige Neigungen fallen nicht in die Risikosphäre des Dienstherrn.
Soweit der Kläger dagegen einwendet, dass es sich bei dem Auffahrunfall nicht um ein alltägliches Ereignis in diesem Sinne gehandelt habe, folgt dem die Kammer nicht. Zunächst lassen nicht die gesundheitlichen Beschwerden des Klägers den Schluss zu, dass es sich bei dem Unfall um einen hinreichenden Anlass für eine psychische Fehlverarbeitung gehandelt habe. Denn es geht gerade darum, inwieweit diese Beschwerden auf den Unfall bzw. auf die Veranlagung des Klägers zurückzuführen sind. Insofern unterliegt die Argumentation des Klägers einem Zirkelschluss. Auch der Einwand, der Kläger sei vor dem Unfall vollkommen gesund gewesen, führt zu keiner anderen Betrachtung. Eine Aussage darüber, welche psychischen Anlagen der Kläger aufgewiesen hat, folgt daraus nicht. Hinzu kommt, dass die erheblichen Fehlzeiten des Klägers in den Jahren vor dem Unfall seine Aussage, er sei vollkommen gesund gewesen, relativieren, auch wenn diese Fehlzeiten nach seinen Angaben nicht auf Erkrankungen der Halswirbelsäule zurückzuführen waren. Der Unfall weist schließlich keine Besonderheiten auf, die es rechtfertigen könnten, ihn als besonders schwer belastendes Ereignis im obigen Sinne anzuerkennen. Eine solche Besonderheit stellt insbesondere nicht die vom Kläger behauptete Blickrichtung nach links im Moment des Aufpralls dar. Sie lässt den Unfall offenkundig nicht als ein Ereignis erscheinen, das einer Geiselnahme, einer Vergewaltigung oder einem ähnlichen Ereignis von seinem Gewicht her nahe kommt.
II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zahlung eines Dienstunfallausgleichs gemäß § 35 Abs. 1 BeamtVG i.V. mit § 31 Abs. 1-4 BVG. Ein Dienstunfallausgleich nach diesen Vorschriften wird nur gezahlt, wenn der Verletzte infolge des Dienstunfalls in seiner Erwerbsfähigkeit länger als sechs Monate wesentlich beschränkt ist. Eine wesentliche Beschränkung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mindestens 25% beträgt (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.06.1965 – VI C 38.63, BVerwGE 21, 282 ff.). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Folge des Dienstunfalls im Sinne des Dienstunfallrechts ist lediglich eine leichte HWS-Distorsion. Daraus folgt nach der Klassifikation von ROMPE eine Arbeitsunfähigkeit von bis zu sechs Wochen, anschließend eine MdE von 20 % für zwei bis drei Monate und eine MdE von zehn Prozent für etwa ein weiteres Jahr. Dies ist für die Anerkennung einer wesentlichen Beschränkung im Sinne von § 35 Abs. 1 BeamtVG nicht ausreichend.
Der Kammer liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass im Fall des Klägers abweichend davon eine längere Arbeitsunfähigkeit bzw. wesentliche Minderung der Erwerbsfähigkeit auf den Dienstunfall zurückzuführen sein könnte. Im Gegenteil kommt das Gutachten des Universitätsklinikums Lübeck vom 26.06.2002, das die Kammer gemäß § 98 VwGO i.V. mit § 411a ZPO seiner Entscheidung zugrunde legen kann, zu dem Ergebnis, dass aufgrund des Unfalls eine Arbeitsunfähigkeit von etwa drei Monaten gerechtfertigt erscheine. Die geschilderten Beschwerden zum Zeitpunkt der Begutachtung seien hingegen nicht mehr als Unfallfolge anzusehen. In dem Befundbericht des behandelnden Orthopäden Dr. … vom 10.01.2001 heißt es, dass die direkten Unfallfolgen nach dem verkehrsunfallbedingten Distorsionstrauma der HWS nach allgemeinen traumatologischen Erfahrungen spätestens drei bis vier Monate nach dem Unfallereignis abgeklungen seien. Soweit schließlich der Orthopäde Dr. … in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Lübeck am 26.11.2002 bekundet hat, er gehe von einer Arbeitsunfähigkeit von 100 % für drei Monate, von 60 % für weitere drei Monate und von 30 % für weitere drei Monate aus, rechtfertigt dies keine andere Betrachtung. Denn dieser hat zugleich bekundet, dabei handele es sich bloß um großzügig bemessene allgemeine Maßstäbe, die sozusagen einen Indikator für die Schmerzen des Klägers darstellten. Ein Bezug zu den direkten Unfallfolgen des Klägers besteht damit nicht.
Zur weiteren Begründung wird gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 03.09.2007 verwiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V. mit den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.