EU-Führerschein
EU-Führerschein
Seit 1999 besteht die Möglichkeit, einen EU-Führerschein im Ausland nach Ablauf der Sperrfrist legal zu erwerben. Der EuGH hat dies mit Urteil vom 29.04.2004 nochmals ausdrücklich bestätigt. Dieser Führerschein ist in allen Mitgliedsstaaten grundsätzlich gültig und von den EU-Mitgliedsstaaten anzuerkennen.
Folglich kann tatsächlich zunächst ein ausländischer Führerschein legal erworben und damit in Deutschland ein Fahrzeug geführt werden.
Ein EU-Führerschein kann in verschiedenen Ländern zu unterschiedlichen Voraussetzungen erworben werden. Grundsätzlich sind die Voraussetzungen von den gesetzlichen nationalen Bestimmungen des Landes abhängig, in dem der Führerschein erworben wird.
Zwei Punkte sind jedoch stets für den Erwerb eines EU-Führerscheins Voraussetzung:In dem Land, in dem Sie den Führerschein erwerben möchten, müssen Sie die nationalen Voraussetzungen für den Erwerb eines Führerscheins erfüllen. Das bedeutet im Regelfall, dass Sie Führerscheinunterricht nehmen und die anschließende Führerscheinprüfung bestehen müssen.
Für den rechtskräftigen Erwerb ist darüber hinaus erforderlich, dass der Führerscheinbewerber einen ordentlichen Wohnsitz im Land des Führerscheinerwerbes nachweisen kann. Diese Voraussetzung beinhaltet den Nachweis, dass der Führerscheininhaber sich mindestens 185 Tage pro Jahr in dem Land, in dem der Führerschein erworben werden soll aufhält bzw. aufgehalten hat und eine berufliche oder geschäftliche Verbindung dorthin besteht. Ohne ordentlichen Wohnsitz in dem EU-Mitgliedsstaat kann der ausländische EU-Führerschein somit nicht legal erworben werden.In der Vergangenheit wurde jedoch mit EU-Führerscheinen erheblicher Missbrauch getrieben. Es war gängige Praxis, dass EU-Mitgliedsstaaten EU-Führerscheine auch ohne die Voraussetzung ausgestellt haben, dass der Führerscheininhaber sich mindestens 185 Tage pro Jahr in dem Land aufgehalten hat, in dem der Führerschein erworben werden sollte.
Teilweise wurde sogar auf dem EU-Führerschein nicht der Wohnsitz im EU-Mitgliedsstaat angegeben, sondern der Wohnsitz in Deutschland. Der EuGH hat zu der Frage, ob Führerscheine von EU-Mitgliedsstaaten, bei denen offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen bei Erteilung nicht vorgelegen haben, von anderen EU-Mitgliedsstaaten zwingend anerkannt werden müssen, mit Datum 26.06.2008 wie folgt Stellung genommen:
Grundsätzlich verbleibt es bei der bisherige Rechtsprechung des EUGH, dass die Mitgliedsstaaten ihr Führerscheine „ohne jede Formalität“ untereinander anerkennen müssen. „Demnach darf der Aufnahmemitgliedstaat die Anerkennung eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins nicht von irgendeiner Formalität abhängig machen. Es verstößt daher gegen den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung, den Inhaber eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins zu verpflichten, die Anerkennung dieses Führerscheins in einem anderen Mitgliedstaat zu beantragen.“ Argument für die gegenseitige Anerkennungspflicht: Es soll die Freizügigkeit von Personen erleichtert werden, in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen niederlassen, in dem sie ihre Fahrprüfung abgelegt haben.Ein Mitgliedstaat darf ungeachtet von diesem Grundsatz, einer Person, auf die in seinem Hoheitsgebiet eine Maßnahme des Entzugs der Fahrerlaubnis in Verbindung mit einer Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis angewendet worden ist, die Anerkennung eines von einem anderen Mitgliedstaat während dieser Sperrzeit ausgestellten neuen Führerscheins versagen.Wird ein Führerschein nach der Sperrfrist ausgestellt, so ist dieser anzuerkennen. Nach Erteilung der neuen Fahrerlaubnis kann die neue Fahrerlaubnis eingeschränkt, ausgesetzt, entzogen oder aufgehoben werden, wenn das Verhalten des Inhabers der Erlaubnis nach deren Erteilung dies nach dem innerstaatlichen Recht des Aufnahmestaats rechtfertigt.Prüft der die Fahrerlaubnis ausstellende Mitgliedsstaat die Ausstellungsmodalitäten (z.B. Wohnsitzvoraussetzung) des Führerscheins, ist der andere Mitgliedsstaat nicht berechtigt, die Fahrberechtigung vorübergehend bis zum Abschluss des Prüfung auszusetzen, und zwar auch dann nicht, wenn die Überprüfung ggf. zur Rücknahme des Führerscheines führen könnte.Der Mitgliedsstaat ist nicht verpflichtet, den Führerschein des anderen Mitgliedsstaates anzuerkennen, wenn „sich aus den Angaben im Führerschein oder anderen von diesem anderen Mitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen ergibt, dass die in vorgeschriebene Wohnsitzvoraussetzung zum Zeitpunkt der Ausstellung dieses Führerscheins nicht erfüllt war.“ In diesen Fällen kann der Mitgliedsstaat auch die Fahrberechtigung vorübergehend aussetzen.
Der EUGH stellt hinsichtlich der obigen Punkte 1) bis 3) seine Rechtsposition im Kontext seiner aktuelle Entscheidung noch einmal klar. Der EUGH bezieht sich folglich auf seine frühere Rechtsprechung und führt die wichtigsten Grundsätze seiner bisherigen Rechtsprechung zusammenfassend noch einmal aus. Demnach sind die Mitgliedsstaaten ohne weitere Formalitäten zur gegenseitigen Anerkennung verpflichtet, wenn der Führerschein des ausstellenden Mitgliedstaates nach einer etwaigen Sperrfrist ausgestellt worden ist. Etwaige nationale Regelungen (z.B. die Vorlage einer MPU), die einer Erteilung eines Führerscheins im anerkennenden Mitgliedstaat , ggf. entgegenstehen könnten, dürfen nicht herangezogen werden, um die Anerkennung des Führerscheins des ausstellenden Mitgliedstaates abzulehnen.
Der EUGH unterstreicht in diesem Zusammenhang aber nochmals, dass auf den Inhaber eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins seine innerstaatlichen Vorschriften über Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis angewendet werden können, wenn der Betroffene nach der Erteilung dieses Führerscheins erneut einschlägig auffällig wird.
Bemerkenswert und neu sind hingegen die Ausführungen des EUGH zu der Frage, ob und unter welchen Vorraussetzungen ein Mitgliedsstaat die Anerkennung verweigern darf, wenn dieser Kenntnisse davon erlangt, dass bei Erteilung der neuen Fahrerlaubnis die Voraussetzungen gar nicht vorgelegen haben.
Der EUGH hat sich in seinem Urteil vom 26.06.2008 nunmehr erstmals zu der Frage geäußert, ob und unter welchen Vorraussetzungen ein Mitgliedsstaat die Anerkennung verweigern darf, wenn dieser Kenntnisse davon erlangt, dass bei Erteilung der neuen Fahrerlaubnis die Voraussetzungen gar nicht vorgelegen haben.
Danach darf ein Mitgliedsstaat grundsätzlich die Anerkennung des Führerscheines verweigern, wenn der Führerscheininhaber seinen „ordentlichen Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet des Ausstellermitgliedstaats hatte“.
Die andere Frage, wann der Mitgliedsstaat davon ausgehen kann, dass der Führerscheininhaber seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet des Ausstellermitgliedstaats hatte, beantwortet der EUGH nur zum Teil eindeutig.
In jedem Fall darf der Mitgliedsstaat davon ausgehen, dass der Führerscheininhaber seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet des Ausstellermitgliedstaats hatte, wenn sich dies aus den „Angaben im Führerschein“ selbst ergeben. Im zugrunde liegenden Fall wurde auf dem tschechischen Führerschein als Wohnsitzangabe „Bad Waldsee, Deutschland“ eingetragen. Der EUGH stellt nunmehr klar, dass Mitgliedsstaaten in solchen Fällen nicht verpflichtet sind, diese Führerscheine anzuerkennen.
Der EUGH führt jedoch in seinem Urteil des weiteren aus, dass ein Mitgliedsstaat auch dann davon ausgehen kann, dass der Führerscheininhaber seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet des Ausstellermitgliedstaats hatte, wenn sich aus anderen von dem ausstellenden Mitgliedstaat „herrührenden unbestreitbaren Informationen ergibt, dass die […] vorgeschriebene Wohnsitzvoraussetzung zum Zeitpunkt der Ausstellung dieses Führerscheins nicht erfüllt war.“
Der EUGH lässt jedoch in seinem Urteil offen, wann solche von dem ausstellenden Mitgliedstaat „herrührenden unbestreitbaren Informationen“ vorliegen sollen. Die Frage, wann solche „unbestreitbaren Informationen“ vorliegen sollen, werden die nationalen Verwaltungsgerichte und ggf. der EUGH in späteren Verfahren klären müssen.
In diesem Zusammenhang führt der EUGH zudem aus, dass die Mitgliedsstaaten die Fahrberechtigung, die sich aus dem Führerschein des anderen Mitgliedsstaates ergibt, nicht vorläufig auszusetzen dürfen, während der andere Mitgliedstaat die Modalitäten der Ausstellung dieses Führerscheins überprüft.
Etwas anderes gilt konsequenterweise aber dann, wenn sich „aus den Angaben im Führerschein oder anderen von diesem anderen Mitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen ergibt, dass vorgeschriebene Wohnsitzvoraussetzung zum Zeitpunkt der Ausstellung dieses Führerscheins nicht erfüllt war.“ Ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass die vorgeschriebene Wohnsitzvoraussetzung zum Zeitpunkt der Ausstellung dieses Führerscheins nicht erfüllt war, gerade aus den Angaben im Führerschein oder aufgrund anderer von diesem anderen Mitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen, so darf die vorläufige Aussetzung der Fahrberechtigung bis zu einer eventuellen Klärung angeordnet werden.
In diesen Fällen wäre der Mitgliedsstaat ggf. ja schon berechtigt, den Führerschein gar nicht erst anzuerkennen. Selbstverständlich darf er dann – erst recht – die vorläufige Aussetzung der Fahrberechtigung anordnen.
Ein Mitgliedstaat darf die Anerkennung eines von einem anderen Mitgliedstaat außerhalb der Sperrzeit ausgestellten Führerscheins nicht mit der Begründung ablehnen, dass der Inhaber dieses Führerscheins die Voraussetzungen für die Erteilung im ersten Mitgliedsstaat (z.B. Deutschland wegen eines MPU-Erfordernisses) nicht erfüllt.
Ein Mitgliedstaat darf die Anerkennung eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins aber ablehnen, wenn der Führerschein innerhalb der Sperrfrist erworben worden ist. Ein Mitgliedstaat kann einer Person, auf die in seinem Hoheitsgebiet eine Maßnahme des Entzugs der Fahrerlaubnis in Verbindung mit einer Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis angewandt worden ist, die Anerkennung des während dieser Sperrzeit ausgestellten Führerscheins versagen.
Neu ist allerdings die Aussage, dass ein Mitgliedstaat auch in den Fällen die Anerkennung eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins verweigern bzw. aberkennen werden, in denen der Führerschein nach Ablauf der Sperrfrist erteilt wurde und sich aus unbestreitbaren Informationen des Ausstellerstaates ergibt, dass der Führerscheininhaber seinen Lebensmittelpunkt tatsächlich nicht dort hatte. Dies ist z.B. in den Fällen angenommen worden, in denen schon auf dem EU-Führerschein der Wohnsitz aus Deutschland angegeben worden ist und sich so ergibt, dass der Wohnsitz bei Ausstellung des Führerscheins nicht im Ausstellerland gegeben war. Ein Scheinwohnsitz genügt gerade nicht.
Zudem besteht die Gefahr, dass trotz des neuen EU-Führerscheins wieder eine MPU angefordert wird. Denn eines hat der EuGH in seinem Urteil nicht ausgesprochen: Die Nichtanwendung der deutschen Fahrerlaubnisverordnung. Vielmehr bleibt die Anwendung deutscher Vorschriften über Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis den Fahrerlaubnisbehörde weiter vorbehalten.
Demnach kann es sein, dass die deutschen Fahrerlaubnisbehörde etwa aufgrund einer erneuten Eintragung im Verkehrszentralregister erneut eine MPU anordnen und von Ihnen zur Vorlage verlangen. Von Ihrem neuen EU-Führerschein kann die Fahrerlaubnisbehörde z.B. jederzeit im Rahmen einer Verkehrskontrolle oder -ordnungswidrigkeit Kenntnis erlangen. Sie müssen dann damit rechnen, dass die Fahrerlaubnisbehörde überprüft, ob Sie schon einmal wegen einer Trunkenheitsfahrt oder wegen ähnlichen Delikten auffällig geworden sind. Führt eine solche Überprüfung zu Zweifeln an Ihrer Fahreignung, wird die Fahrerlaubnisbehörde nicht lange zögern, von Ihnen wieder eine MPU anzufordern bzw. Ihnen die Fahrerlaubnis für Deutschland wieder abzuerkennen!