Ersatzfähigkeit von Gutachterkosten nach Unfall
Ersatzfähigkeit von Gutachterkosten nach Unfall
LG Hamburg Urteil vom 9.6.2006, 306 O 17/06
Tenor
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 445,23 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz auf diesen Betrag seit dem 19.10.2005 zu zahlen. Sie werden weiter verurteilt, an die Klägerin Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag von 5.891,38 EUR in der Zeit vom 19.10.2005 bis zum 31.01.2006 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Umfang der Einstandspflicht der Beklagten für einen Verkehrsunfall.
Am 03.09.2005 kam es zwischen dem vom Zeugen A. geführten Fahrzeug der Klägerin und dem Fahrzeug des Beklagten zu 2., das bei der Beklagten zu 1. pflichtversichert war, zu einer Kollision. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Beklagten dem Grunde nach zu 100% für die der Klägerin entstandenen Schäden einzustehen haben.
Der Klägerin entstanden Reparaturkosten in Höhe von 5.891,38 EUR, die nach Klagerhebung von den Beklagten am 31.06.2006 bezahlt wurden. Der Klägerin entstanden darüber hinaus Sachverständigenkosten in Höhe von insgesamt 745,23 EUR, von denen die Beklagten vorprozessual 300 EUR bezahlten. Der Sachverständige, mit dem die Klägerin keine Honorarvereinbarung getroffen hatte, rechnete der Klägerin gegenüber nach einer Honorartabelle ab. Dabei bestimmte sich das Grundhonorar nach der Schadenshöhe.
Die Klägerin hat ursprünglich die Zahlung von insgesamt 6.594,61 EUR nebst Verzugszinsen auf diesen Betrag seit dem 03.09.2006 verlangt. Nach Zahlung von 5.891,38 EUR, insoweit erfolgter übereinstimmender Erledigungserklärung und Klagrücknahme in Höhe von 258 EUR (geltend gemachte Nutzungsausfallentschädigung) beantragt die Klägerin,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 445,23 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz auf diesen Betrag seit dem 03.09.2005 zu zahlen, ferner an sie Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag von 5.891,38 EUR im Zeitraum zwischen dem 03.09.2005 und dem 31.01.2006 zu zahlen.
Soweit der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, beantragt die Klägerin,
den Beklagten die entstandenen Kosten aufzuerlegen.
Die Beklagte beantragen,
der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, soweit diese die Klage zurückgenommen hat, und im Übrigen, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten sind der Ansicht, der vom Sachverständigen in Rechnung gestellte Betrag sei überhöht und nicht angemessen, weil er nicht nach Zeitaufwand, sondern nach pauschalen Honorartabellen unter Zugrundelegung der Schadenshöhe abgerechnet habe.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat im zuletzt noch bestehenden Umfang weit überwiegend auch in der Sache Erfolg. Sie war lediglich in Bezug auf die geltend gemachten Verzugszinsen teilweise abzuweisen, weil bereits nach dem eigenen Vortrag der Klägerin Verzug erst mit Ablauf des 18.10.2005 eingetreten ist und nicht bereits am Tag des Unfalls.
1. Der Klägerin steht ein Anspruch gegen die Beklagten auf Ersatz des gesamten geltend gemachten Gutachterkosten aus §§ 823 Abs. 1 BGB, 3 PflVG zu. Die in Rechnung gestellten Kosten sind erforderlich im Sinne von § 249 Abs. 2 BGB.
Da zwischen der Klägerin und dem Sachverständigen keine Honorarvereinbarung getroffen worden ist, hat die Klägerin gemäß § 632 Abs. 2 BGB die übliche Vergütung zu entrichten. Die vom Sachverständigen H. berechnete Vergütung bewegt sich im üblichen Rahmen.
Die Klägerin hat substantiiert dargelegt, dass die rund 600 Mitglieder des Bundesverbandes der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V. (BVSK) vollständig nach sogenannten Honorartabellen abrechnen, die sich bezüglich des Grundhonorars an der Schadenshöhe orientieren. Nach einer Honorarbefragung im Jahr 2003 bewegt sich das vom Sachverständigen H. berechnete Grundhonorar in Höhe von 504 EUR im Durchschnitt der in Rechnung gestellten Beträge. Jedenfalls übersteigt es den durchschnittlichen Betrag von 496 EUR nicht so deutlich, dass von einer unüblichen Vergütung auszugehen wäre. Dies gilt auch für die berechneten Nebenkosten wie Fahrtkosten, Kosten für Fotografien, Porto, Telefon und Schreibkosten. Insofern wird auf die tabellarische Auswertung in Anlage B2 im Verhältnis zur Rechnung in Anlage K2 verwiesen. Dass sich der in Rechnung gestellte Betrag im Bereich des üblichen bewegt, zeigen auch die von der Klägerin eingereichten Muster-Alternativrechnungen von anderen Hamburger Sachverständigen. Diese bewegen sich zwischen 601,34 EUR und 867,10 EUR im Vergleich zu den vom Sachverständigen H. berechneten 745,23 EUR.
Die Berechnung nach Honorartabellen unter Berücksichtigung der Schadenshöhe ist von der Berechnungsmethode her nicht zu beanstanden (vgl. auch die Urteile des Bundesgerichtshofes vom 04.04.2006 Az. X ZR 80/05 und X ZR 122/05). Sie ist üblich und damit grundsätzlich bei der Schadensregulierung durch die Versicherer hinzunehmen. Es ist aus anderen Verfahren gerichtsbekannt, dass zwischen dem BVSK und diversen Versicherern eine Abrede besteht, nach der die Abrechnung anhand pauschalierter Honorartabellen praktikabel und nicht zu beanstanden sei. Zwischen dem BVSK und den an der Abrede beteiligten Versicherern ist darüber hinaus eine Mustertabelle abgestimmt worden, die von einer Honorarberechnung nach Schadenshöhe ausgeht. Dass der Sachverständige H. von dieser Mustertabelle erheblich abgewichen ist, ist angesichts des Abgleichs seiner Rechnung mit dem Ergebnis der Honorarbefragung des BVSK im Jahr 2003 nicht erkennbar.
Die Beklagten haben die übliche Vergütung zu ersetzen, weil sie dem gemäß § 249 Abs. 2 BGB erforderlichen Aufwand entsprechen.
Die Zinsentscheidung folgt aus §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB. Die Beklagten befanden sich erst nach Ablauf der im Schreiben vom 30.09.2005 bis zum 18.10.2005 gesetzten Frist in Verzug.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91a, 92 Abs. 1 und Abs. 2 Ziffer 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.
Soweit eine Kostenentscheidung nach § 91a ZPO zu treffen war, entspricht es billigem Ermessen, den Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Durch ihre vollständige Zahlung auf die geforderten Reparaturkosten haben sie den Anspruch der Klägerin insoweit anerkannt.
Die Ausurteilung einer Kostenquote war trotz der teilweisen Klagrücknahme und des teilweisen Unterliegens bezüglich der Verzugszinsen war nicht veranlasst, weil die Zuvielforderung gering gewesen ist und keine zusätzlichen Kosten verursacht hat.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
4. Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 511 Abs. 4 ZPO nicht vorliegen. Nach den beiden Entscheidungen des Bundesgerichtshofes vom 04.04.2006 ist die grundsätzliche Frage, ob bei Routinegutachten wie hier eine an der Schadenshöhe orientierte Pauschalierung vorgenommen werden darf, geklärt. Die weitergehende Frage, ob die Vergütung üblich ist, ist eine Einzelfallfrage.