Bagatellschaden

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Urteil 8

Grenze für Bagatellschaden kann im Einzelfall bei 2.500 DM liegen.

Amtsgericht Sömmerda

Az.: 1 C 8/02

Verkündet am 14.05.2002



In dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Sömmerda aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2002 für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Auf die Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO verzichtet.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Bedenken gegen die Zulässigkeit bestehen nicht.

Die Klage ist jedoch nicht begründet.

Der Klägerin steht ein restlicher Schadenersatzanspruch aus dem streitgegenständlichen Unfallereignis vom 18.07.2001 gegenüber den Beklagten, auch wenn die Haftungsfrage zwischen den Parteien grundsätzlich unstreitig ist, nicht zu.

Die von der Beklagten zu 2. unter Bezugnahme auf ihren Schriftsatz vom 08.08.2001 vorgenommene Regulierung des Fahrzeugschadens auf der Basis des Wiederbeschaffungswertes abzüglich des Restwertes ist nicht zu beanstanden.

Die Klägerin hat vorliegend unter Bezugnahme auf das von ihr eingeholte Sachverständigengutachten zur Schadenshöhe eine Abrechnung auf fiktiver Basis vorgenommen, mithin einen Anspruch auf Ersatz fiktiver Instandsetzungskosten geltend gemacht. Diesem Anspruch sind jedoch Grenzen gesetzt.

Die Instandsetzungskosten zuzüglich eines etwaigen Minderwertes dürfen den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwertes nicht überschreiten, tun sie das, wie hier, ist eine Abrechnung auf der Basis des Wiederbeschaffungswertes vorzunehmen.

Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung steht dieser auch kein Anspruch auf Ersatz der Sachverständigenkosten zu. Nach dem von der Klägerin eingeholten Gutachten vom 24.07.2001 wurde das Fahrzeug linksseitig mit Schwerpunkt hinten angefahren, wobei durch das Unfallgeschehen das Fahrzeug der Klägerin folgende Beschädigungen davongetragen hat: Beschädigung des hinteren Stoßfängers, gerissenes linkes Schlussleuchtenglas, Heckabschlussblech ist hinten linksseitig schwach eingedrückt, Längsträger hinten links wurde gestaucht.

Aus dem vorgelegten Gutachten ergibt sich für das Gericht, daß es sich hier um einen Bagatellschaden handelt. Als Reparaturkosten inklusive Mehrwertsteuer wurde ein Betrag in Höhe von 1.832,03 DM festgestellt. Zwar erstreckt sich die Schadenersatzpflicht auch auf Folgeschäden, sofern diese mit dem schädigenden Ereignis in einem adäquaten Ursachenzusammenhang stehen und in den Schutzbereich der verletzten Normen fallen. Danach hat der Schädiger grundsätzlich die Kosten von Sachverständigengutachten zu ersetzen, soweit diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind. Der Geschädigte verstösst aber dann gegen seine Schadensminderungspflicht gemäß 254 Abs. 2 Satz 1 BGB, wenn er bei einem Bagatellschaden ein Sachverständigengutachten einholt. Nur wenn aus der Sicht des Geschädigten ein vernünftiger Grund hierzu besteht, insbesondere auch die Verhältnismäßigkeit in Bezug auf die zu erwartenden Reparaturkosten gewahrt wurde, sind Gutachterkosten als erstattungsfähig anzusehen. Eine starre Wertgrenze kann hierfür nicht angegeben werden. Die in der Praxis noch vielfach angewandte, sei Jahren unverändert gebliebene Grenze von 1.000,00 DM ist angesichts des erheblich gestiegenen Reparaturkostenniveaus als viel zu niedrig anzusehen. Vielmehr wird davon auszugehen sein, daß der Geschädigte immer dann, wenn sich Reparaturkosten unterhalb des Bereiches von 2.500,00 DM ergeben und eine fiktive Abrechnung gewünscht ist, besonders darzulegen hat, weshalb er die Einholung eines Gutachtens, statt einer einfachen Kostenkalkulation oder eines Kostenvoranschlages im konkreten Fall für erforderlich halten durfte. Die Geschädigte kann sich nicht darauf berufen, daß sich ihr der Umfang des Schadens nicht sogleich erschlossen hat. Im Zweifelsfall bleibt ihr nämlich immer die Möglichkeit, zunächst bei ihrer Werkstatt nachzufragen, die relativ rasch, zumindest annäherungsweise den Schadensumfang mitteilen wird und auch Angaben dazu machen kann, ob wegen des Verdachts tiefergehender Schäden eine Begutachtung angebracht ist.

Nach alledem war die Klage vollumfänglich abzuweisen, da der Klägerin, wie vorstehend näher dargestellt, ein restlicher Schadenersatzanspruch aus dem streitgegenständlichen Unfallereignis vom 18.07.2001 gegen die Beklagte nicht zusteht.

Die Kostenentscheidung folgt aus 91 Abs. 1 in Verbindung 269 Abs. 3 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Der Streitwert für das Verfahren wird gemäß 3, 5 ZPO auf insgesamt 575,22 € festgesetzt.

Urteil 9

Eine "Unfallfreiheit" des Fahrzeugs gilt als zugesichert, wenn ein "kleiner Unfall" angegeben wurde.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN

Az: 21 U 1608/01

Verkündet am 01.06.2001

Vorinstanz: LG München II Az.: 5 O 2982/00




In dem Rechtsstreit wegen Forderung erläßt der 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 04. Mai 2001 folgendes ENDURTEIL

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts München II, 5. Zivilkammer, vom 06. November 2000 aufgehoben.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 39.660,50 nebst 4 % Zinsen hieraus seit 26.02.1998 zu bezahlen, Zug um Zug, gegen Herausgabe des PKW VW Passat 1.9 TDI Fahrgestellnummer WVW, Erstzulassung 29.04.1997, dunkelgrün-pearlcolor, amtliches Kennzeichen M-XX-XXXX. Im übrigen werden die Klage ab- und die Berufung zurückgewiesen.

III. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtstreits und der Nebenintervention zu je 1/10, die Beklagte die des Rechtsstreits zu 9/10, der Nebenintervenient die der Nebenintervention zu 9/10.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Der Wert der Beschwer der Parteien im Berufungsverfahren übersteigt DM 60.000,-- nicht.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ( 511 ff. ZPO) ist zum überwiegenden Teil begründet und führt zur Aufhebung des landgerichtlichen Urteils.

Dem Kläger wurde bei Abschluß des Kaufvertrages ein Fehler des streitgegenständlichen Fahrzeugs vom Verkäufer der Beklagten arglistig verschwiegen. Gem. 463 BGB kann der Kläger deshalb Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen.

Das Landgericht hat die Zeugen A und B vernommen und beide für glaubwürdig erachtet. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ergibt sich aus beiden Aussagen, auch wenn sie inhaltlich völlig konträr sind, die Grundlage für den Schadensersatzanspruch.

1. Folgt man der Aussage der Zeugin A so wurde dem Kläger bei Abschluß des Kaufvertrages arglistig verschwiegen, daß es sich bei dem im schriftlichen Kaufvertrag erwähnten "Unfallschaden" überhaupt um einen Schaden gehandelt hatte, der mehr als den Austausch von Plastikteilen erforderte. Die Zeugin hat erklärt, der Verkäufer habe auf einen leichten Unfallschaden hingewiesen und auf Nachfrage erklärt, es seien nur Plastikteile ausgetauscht worden.

Nachdem der Zeuge nach eigenem Bekunden das Fahrzeug im Zustand nach dem Unfall gesehen hatte, wäre eine solche Erklärung objektiv unrichtig gewesen und der Zeuge hätte zumindest damit gerechnet, daß der Vertrag nicht oder nicht zum vereinbarten Kaufpreis abgeschlossen wird.

2. Folgt man der Aussage des Zeugen so wurde von ihm eine nicht vorhandene, aber zugesicherte Eigenschaft arglistig vorgespiegelt. Dieses arglistige Vorspiegeln steht dem arglistigen Verschweigen eines Fehlers im Sinne des 463 Satz 2 BGB gleich (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 7. Aufl., Rand Nr. 1854).

Der Zeuge hat - wenn man seiner Aussage folgt - dem Kläger bei Abschluß des Kaufvertrages zugesichert, daß durch den Unfall außer Blech- und Glasschäden keine weiteren wesentlichen Schäden entstanden sind. Diese Zusicherung umfaßte auch, daß durch den Unfall kein Rahmenschaden entstanden war. Der Zeuge hat erklärt, der habe "bei den Vertragsverhandlungen darauf hingewiesen, daß das Fahrzeug einen Unfall mit Frontschaden hatte, bei dem Windschutzscheibe, Motorhaube, Kotflügel und Radhaus betroffen waren". Unabhängig davon, ob der Rahmenschaden vollständig und fachgerecht behoben wurde, enthält diese Darstellung über die technischen Angaben hinaus zugleich die Zusicherung im Sinne des 459 Abs. 2 BGB, daß durch den Unfall keine weiteren wesentlichen Schäden entstanden waren (OLG Bamberg NJW-RR 1994, 1333). Die Unterscheidung zwischen einem bloßen Blechschaden und einem Schaden an den tragenden Teilen stellt dabei für den Kauf eines Unfallwagens ein wesentliches Kriterium dar (OLG Frankfurt NJW-RR 1987, 1268/1269; OLG Oldenburg NJW-RR 1987, 1269).

Unbestritten hatte das Fahrzeug einen Rahmenschaden erlitten. Dies wurde von der Klagepartei in der Klageschrift vom 16.05.2000, im Schriftsatz vom 03.08.2000 und in der Berufungsbegründung vom 16.02.2001 vorgetragen. Der Zeuge hat dem Kläger arglistig vorgespiegelt, daß das Fahrzeug bei dem Unfall keinen Rahmenschaden erlitten hatte. Werden Unfallschäden vom Verkäufer thematisiert, so stellt es ein arglistiges Verhalten dar, wenn wesentlichte Unfallfolgen bagatellisiert oder erkennbar naheliegende Unfallfolgen unerwähnt bleiben. Der Zeuge Heilmeier hatte das Fahrzeug im Zustand nach dem Unfall gesehen. Aus den von der Klagepartei vorgelegten Lichtbildern ergibt sich, daß sich die Vermutung geradezu aufdrängen mußte, daß das Fahrzeug nicht nur Blech- und Glasschäden erlitten hatte. Die vom Zeugen nach seiner Aussage gegebene Information ("Frontschaden, bei dem Windschutzscheibe, Motorhaube, Kotflügel und Radhaus betroffen waren") war deshalb arglistig und geeignet, den Kläger zum Kauf zu den vereinbarten Bedingungen zu bewegen (vgl. OLG Oldenburg NJW-RR 1987, 1269/1270, Reinking/Eggert, Der Autokauf, 7. Aufl., RdNr. 1873 mwN).

Die nach Schluß der mündlichen Verhandlung im Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 18.05.2001 nunmehr aufgestellte Behauptung, der Kläger sei vom Zeugen auch ausdrücklich über den Rahmenschaden umfassend aufgeklärt worden und der dafür angebotene Zeugenbeweis können gem. 296 a ZPO nicht mehr berücksichtigt werden. Der Beklagtenpartei und dem Streithelfer wurde eine Schriftsatzfrist nur zu neuem Sachvortrag der Klagepartei im Schriftsatz vom 24.04.2001 eingeräumt. Der Rahmenschaden und die fehlende Aufklärung darüber waren von der Klagepartei während des gesamten Rechtsstreits vorgetragen worden (siehe oben). Im Schriftsatz des Klägervertreters vom 24.04.2001 ist dazu kein neuer Sachvortrag enthalten gewesen.

Für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gem. 156 ZPO besteht ebenso wenig Anlaß wie zu einer nochmaligen Vernehmung des Zeugen gem. 398 ZPO.

Der Schadensersatzanspruch des Klägers aus 463 Satz 2 BGB ist nicht verjährt, da dieser gem. 195 BGB erst in 30 Jahren verjährt: Die kurze Verjährungsfrist des 477 Abs. 1 BGB kommt nicht zum Tragen.

Dem Kläger stehen im Rahmen des großen Schadensersatzes folgende Beträge zu:

a) DM 39.900,-- = gezahlter Kaufpreis zuzüglich 4 % Zinsen hieraus analog 467, 347 Satz 3 BGB ab Zahlungszeitpunkt (= 26.03.1998).

b) DM 3.992,84 = Kosten des Privatgutachtens (BGH NJW 1978, 2241/2241).

c) DM 61,99 = TÜV-Kosten für die Abnahme der eingebauten Anhängerkupplung. Hierbei handelt es sich um nutzlose Aufwendungen, die vom Kläger im Vertrauen auf den Bestand des Kaufvertrages getätigt wurden. Die "Rentabilitätsvermutung" (BGH NJW 1991, 2277/2278) gilt auch hier.

d) DM 133,17 = Kaufpreis für 4 Radzierkappen. Auch hier handelt es sich um nutzlose Aufwendungen, die im Rahmen der "Rentabilitätsvermutung" zu ersetzen sind. Die dadurch bedingte Werterhöhung fließt der Beklagten zu.

Von dem so errechneten Gesamtbetrag von DM 44.088,-- sind die unbestrittenen Nutzungsvorteile in Höhe von DM 4.427,50 abzuziehen, sodaß sich ein Gesamtbetrag von DM 39.660,50 ergibt.

Nicht zu ersetzen sind die von dem Kläger geltend gemachten Kosten für die Zulassung des streitgegenständlichen Fahrzeugs und die dafür erforderlichen Kennzeichen, die Kosten für die Inspektion des Fahrzeugs bei 20.000 Kilometern am 17.05.1999, die teilweise mit der Gutschrift von DM 293,71 verrechnet wurden, die Kosten für den Radausbau und die Gangbarmachung der Bremsklötze, die Kosten für die Überprüfung der elektrischen Anlage, die Kosten für die Fahrzeughauptuntersuchung nach 3 Jahren, die Versicherungsprämien für das Fahrzeug für die Zeit von 26.03.1998 bis 31 .12.2000 und die Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit vom 26.03.1998 bis 25.03.2000.

Bei diesen Positionen im Gesamtbetrag von DM 3.737,54 handelt es sich um Aufwendungen, die dem Kläger dadurch entstanden sind, daß er seit dem Erwerb mit dem mangelbehaftenden Fahrzeug am Staßenverkehr teilnimmt. Ein Zusammenhang mit dem arglistigen Vorspiegeln einer zugesicherten Eigenschaft besteht nicht. Diese Kosten wären auch bei Bestandskraft des Kaufvertrags entstanden.

Die daraus für den Kläger erwachsenen Vorteile (zum Beispiel Versicherungsschutz) haben sich durch Zeitablauf amortisiert.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus 92, 97 und 101 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Der Wert der Beschwer wurde gem. 546 ZPO festgesetzt.

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